Klamms Ende

Leseprobe:

Alle Anwesenden sind sehr blass und flüstern.

Plötzlich sagt der Oberst mit lauter Stimme, so dass alle erschreckt zusammenfahren: „Es ist Zeit, meine Herren, darf ich bitten?“

Wir setzen uns in Bewegung, und die, die dabei standen, wollen sich anschließen, um das Schauspiel nicht zu verpassen. Sie gehen hinterher, bleiben aber an beiden Seiten des Eingangstors stehen, um uns den Zugang ins Innere des Gebäudes nicht zu versperren.

Der Oberst in seiner schmucken Uniform ruft, als er diesen Andrang sieht, mit lauter Stimme, dass zur Hinrichtung nur die bevollmächtigten Personen zugelassen seien; alle anderen müssten unten warten, obwohl es nichts gäbe, worauf es sich zu warten lohne.

„Aber Ihr macht doch wohl Filmaufnahmen?“, ruft einer aus dem Publikum.

„Natürlich“, sagt der Oberst, „aber wir werden sie nicht veröffentlichen. Das ist doch klar, oder?“

In diesem Augenblick drängelt sich ein kleiner alter Mann durch die Menge, tritt vor den Oberst hin und sagt mit zitternder Stimme: „Entschuldigen Sie, Herr Offizier, ich gehöre zwar zu den bevollmächtigten Personen, aber ich kann nicht mit nach oben gehen. Es würde meine Kraft übersteigen, sie sterben zu sehen. Bitte sagen Sie ihr, dass ich in der Nähe bin. Vielleicht hilft ihr das, wenn sie weiß, dass ich da bin und sie bis zum Ende nicht aufgeben werde.“

Der Oberst, nennen wir ihn Klamm, darf sich durch derlei private Dinge nicht ablenken lassen darf, was auch dem alten Mann klar sein müsste. Er antwortet schroff, in dem er den Alten ebenso abschätzend wie durchdringend ansieht: „Und Sie glauben also wirklich, mein Herr, dass ich nichts anderes zu tun habe? Ich lasse mal eben Hinrichtung Hinrichtung sein, verlasse Ihretwegen das Exekutionskommando und gehe hin zu ihrer Tochter und sage ihr mit neckischen Worten: ‚Ach, übrigens, Madame, ich habe die Ehre, Ihnen die besten Grüße von Ihrem Vaters ausrichten zu dürfen. Er lässt Ihnen durch mich mitteilen, dass er unten wartet und dass er sie sie, nie, niemals aufgeben wird.‘ Ja? Ist es so etwa das, um was Sie mich bitten?“

Carlas Vater sieht ein, dass der Gang der Dinge es erfordert, dass jeder auf dem Posten, auf den er gesetzt wurde, seine Pflicht tue, und dass es gar nicht angehen kann, den Kommandierenden mit solch privaten Wünschen zu kommen. „Entschuldigung“, murmelt er.

Klamm sieht ihn noch einmal streng und durchdringend an: „Ich bin doch nicht Ihr Bote, Herr. Wenn Sie dieser Frau etwas zu sagen haben, dann hätten Sie Zeit genug dafür gehabt. Jetzt ist es zu spät.“

Der alte Mann folgt, da ihm nichts anderes übrig bleibt, dem Kommando mit schlotternden Beinen ins Gebäudeinnere.
[…]