Leseprobe:
In meinen Geschichten kommen Frauen nur selten vor, wenn überhaupt, dann nur am Rande. Das merke ich jetzt erst, als ich noch einmal über Bela nachdenke. Von den wenigen Frauen, über die ich geschrieben habe, war Bela zweifellos die hübscheste. Vielleicht nicht die klügste, aber die hübscheste. Aber auch das meine ich eher in einem übertragenen Sinne. In ihren Gesichtszügen war sie ein bisschen wie überreife Trauben, ein klein wenig schnurrbärtig, was nicht groß auffiel, ihr Mund schmollte, und später wäre sie wohl etwas fest geworden. Aber sie ist auf schönen Beinen in den Tod gegangen, der, das gebe ich zu, ein sinnloser Tod war. Doch viele Tode sind sinnlos, und deswegen hatte ich keine Skrupel, Bela in diesen sinnlosen Tod zu schicken. Außerdem ist alles bloß eine Geschichte, die ich mir ausgedacht habe.
Zuletzt war sie mit Jonas zusammen, dem Maler, aber ich bin ihr nicht böse deswegen. „Ich bin nicht mit Jonas zusammen“, sagt sie, „wie kommst du darauf?“
„Natürlich bis du mit Jonas zusammen“, sage ich. „Ihr frühstückt doch gerade zusammen.“
„Na und? Bist du mit jedem zusammen gewesen, mit dem du gefrühstückt hast?“
Sie hat Recht. Das war, was ich an ihr, außer dass ich sie hübsch fand, so schätzte: ihre schlichte männliche Vernunft, die Dinge auf den Punkt bringt. Vielleicht war es das, was mich zu ihr hinzog – hübsch sind andere ja auch. Bela sitzt also an diesem herrlichen Hochsommertag mit Jonas, dem Maler, mit dem sie die Nacht verbracht hat, auf dem kleinen Balkon und frühstückt. Sie ist mit ihm zusammen, das lasse ich mir von ihr nicht ausreden. Ich könnte, wenn ich wollte, ausführlich darüber berichten, in welchen Positionen und mit welchen Worten sie sich in der letzten Nacht gegenseitig zur Raserei getrieben haben. Gerade eben noch, bevor beide nach draußen auf den Balkon gekommen sind, haben sie da drinnen in der kleinen Wohnung neben- und aufeinander auf dem Teppichboden gelegen. Danach hat sie nur eben den Verschluss ihres Bodys, den sie anbehalten hatte, zugedrückt und dann mit schweißnasser Haut Kaffee gekocht und das Tischchen auf dem Balkon gedeckt. Jonas hat ein altes Album von den Pretenders aufgelegt. Gerade jetzt, als Bela mit der Kaffeekanne aus der Küche kommt, spielt My Baby, das erste Stück des Albums, und er dreht die Lautstärke auf. Daran wird er sich später vielleicht erinnern.
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